«Steht ein Missionseinsatz, der Leiden und Risiken für Jesus in Kauf nimmt, nicht im Widerspruch zum Sicherheitsdenken in der Schweiz?»

Jesus erwartet von seinen Nachfolgern, dass sie bereit sind, für das Evangelium zu leiden. In einer westlichen Gesellschaft heisst die Norm, Leiden um jeden Preis zu vermeiden und Risiken auf alle Fälle zu minimieren.

Der Hoffnungsbarometer 2021, eine Umfrage unter ca. 7‘000 Personen in der Schweiz zu ihren Hoffnungen, kommt zu einem aufschlussreichen Ergebnis. Im Krisenjahr 2020 sind die wichtigsten Hoffnungen der Menschen eine gute Gesundheit, eine glückliche Ehe, Familie und Partnerschaft, Harmonie im Leben, gute soziale Beziehungen, persönliche Selbstbestimmung und eine sinnerfüllende Aufgabe. Es folgt das Bedürfnis an Sicherheit. Wir haben uns nach allen Seiten abgesichert, mit einem nahezu perfekt funktionierendem Gesundheits-, Bildungs- und Pensionssystem, vielleicht sogar mit einer umfassenden Lebensversicherung.

In der Bibel hören wir von Migrantengeschichten wie Abraham, Isaak und Jakob, Mose, Ruth und Esra, um nur einige zu nennen. Diese Menschen sind im Vertrauen auf Gott zu einer Mission aufgebrochen, haben soziale und materielle Sicherheiten aufgegeben, um in einem Land zu leben, das Gott ihnen versprochen hatte. Es ging dabei nicht um die Frage nach Reichtum, Armut oder Sicherheit, sondern um eine Herzenssache. Sie alle liessen sich auf ein Abenteuer mit Gott ein. Sie setzten Gottes Auftrag an erster Stelle. Deshalb nahmen sie Leiden und Risiken in Kauf.

Jesus selbst gab den Himmel auf, liess alle Sicherheiten hinter sich und wagte sich auf die Erde. Im Gehorsam gegenüber Gott nahm er sogar den Tod auf sich, er starb am Kreuz ‚wie ein Verbrecher‘. (Philipper 2,8) Auf diese Weise erfüllte er Gottes Auftrag. Ich denke, dass der Märtyrertod für Jesus den allerwenigsten von uns bestimmt ist. Jesus fordert aber alle seine Jünger auf, sich selbst zu verleugnen, ihr Kreuz täglich auf sich zu nehmen und ihm nachzufolgen (Lukas 9,23).

In der Begegnung mit drei potenziellen Nachfolgern spricht er deutlich über die Konsequenzen der Nachfolge (Lukas 9,57-62). Dem ersten macht er klar, dass er nicht mit einem bequemen Leben rechnen dürfe. Dazu gehört, dass man nicht weiss, wo man die nächste Nacht verbringen wird. Missionsmitarbeiter kennen das aus eigener Erfahrung.
Vom zweiten Jünger verlangt er, eine der wichtigsten sozialen Verpflichtungen zurückzustellen. Die Toten sollen sich selbst begraben. Stattdessen soll er sich auf den Weg machen und die Botschaft von Gottes Reich verkünden, d.h. einer Berufung und Aufgabe nachgehen, die Ewigkeitscharakter hat und Leben spendet.
Dem dritten schliesslich verbietet er den Abschied von seiner Familie. Die Verbindung mit Jesus tritt vor alle anderen familiären Beziehungen. Den Kontext bildet sehr wahrscheinlich die drängende Missionssituation in Galiläa, denn anderswo hält Jesus die soziale Verpflichtung von Kindern für ihre Eltern hoch. Im Kern geht es um eine Herzensangelegenheit. Ist Jesus mehr wert als Wohlstand, Sicherheit und sogar die eigene Familie?

Auch Paulus’ Missionseinsatz war unweigerlich mit Leiden um des Evangeliums willen verbunden. Im Blick auf die zukünftige Herrlichkeit fallen die jetzigen Leiden nicht ins Gewicht, meint er (Römer 8,18). Sein Lebensmotto drückt er so aus: Ja, ich möchte Christus immer besser kennen lernen; Ich möchte die Kraft, mit der Gott ihn von den Toten auferweckt hat, an mir selbst erfahren und möchte an seinem Leiden teilhaben, sodass ich ihm bis in sein Sterben hinein ähnlich werde (Philipper 3,10).

Ein Leben mit Jesus steht im Widerspruch zu einem Leben, das sich an irdische Sicherheiten festklammert. Das heisst nun aber nicht, dass wir keine Risikoanalysen mehr vornehmen, keine Versicherungen mehr abschliessen und keine Zukunftspläne mehr machen. Diese Dinge sollen aber nicht unsere Missionsarbeit bestimmen, sondern ihr dienen. Denn wo euer Reichtum ist, da wird auch euer Herz sein, stellt Jesus fest (Lukas 12,34).

Autor: Michael Haller