In den Riss treten ist nicht einfach und mit viel Schmerz verbunden!

Wie stehen Sie zu Versöhnung zwischen Völkern oder verfeindeten Gruppen? Glauben Sie, es ist möglich, oder ist es aussichtslos? Kann es zur Versöhnung kommen zwischen Afroamerikanern und weissen Amerikanern, kanadischen Indigenen und der restlichen kanadischen Bevölkerung, zwischen den Gruppen in Südafrika? Man könnte hier noch unzählige andere Beispiele aufzählen. Alle haben eine lange Geschichte, geprägt von Leid, Schmerz, Hass und wenig Hoffnung auf Besserung und schon gar nicht Versöhnung. Meist scheint es aussichtlos.

BOTSCHAFTER DER VERÖHNUNG

Versöhnung wirft viele Fragen auf und Antworten scheint es wenige zu geben. Doch als Christin bin ich der festen Überzeugung, dass wir die Antwort haben. Wir tun uns leider aber schwer, die Antwort zu leben. Vor weniger als drei Monaten haben wir Weihnachten gefeiert und bald ist Ostern. Jesus Christus kam in diese Welt, um für unsere Sünden zu sterben und uns mit Gott zu versöhnen. Als Christen haben wir den Auftrag Botschafter der Versöhnung (2. Kor 5, 18-21) und Friedenstifter zu sein (Mat 5,9). Damit ist die Antwort auf unsere Frage klar. Wir Christen sind die Antwort. Wir sollen Versöhnung leben und weitertragen.

Nun ist schon die Versöhnung zu unserem Nächsten kein einfaches Unterfangen. Wie sollen wir dazu noch zur Versöhnung zwischen Völkern beitragen? Eine mögliche Antwort erlebte ich in Ruanda. Dort besuchte ich einen Kurs, in dem ich lernte, wie man ein Versöhnungsseminar zwischen verfeindeten Gruppen / Völkern durchführen kann.1

Entstanden ist dieser Kurs nach dem Genozid in Ruanda 1994. Heute wird er in der ganzen Welt durchgeführt und hat tausenden von Menschen geholfen, sich mit ihren Feinden zu versöhnen. Einer der bewegendsten Momente im Seminar geschieht dann, wenn wir in den Riss treten.

IN DEN RISS TRETEN

Jesus trat in den Riss und starb an unserer Stelle für unsere Sünden. Als Botschafter der Versöhnung können wir ähnliches tun. Wenn uns jemand verletzt, gegen uns sündigt, fällt es uns danach oft schwer mit Personen, die wir zur gleichen Gruppe zählen, auszukommen.

Selbst in einem individualistisch geprägten Land wie der Schweiz geschieht dies. Eine Einzelperson sehen wir meist nicht wirklich als einzeln, sondern immer zu einer oder mehreren Gruppen zugehörig. Dazu kommt, dass die grössten Verbrechen dieser Welt meist nicht von einzelnen, sondern von einer Körperschaft / Gruppe begangen werden.

Als weisse europäische Christin in Afrika bin ich nicht nur Ich, sondern in den Augen meiner Gegenüber bringe ich noch vieles mehr mit. Meine Vorfahren haben Afrika kolonialisiert und versklavt. Die Konzerne meines Landes beuten heute viele Länder Afrikas aus. Auch wenn ich es selbst nicht war/bin, der diese Dinge getan hat, so gehöre ich doch dieser Gruppe an.

Wie Jesus kann ich als königliche Priesterin (1. Petrus 2,9) in den Riss treten und für die Sünden meiner Gruppe um Vergebung bitten. Wird mir und meiner Gruppe vergeben durch mein Gegenüber, der für seine Gruppe in den Riss tritt, so können Wunder geschehen. Es kann zur tiefen Heilung führen, reinigen, Vorurteile und Verurteilungen abbauen helfen und auch etwas in der weiteren In den Riss treten Welt bewegen. Einige, die das Versöhnungsseminar besucht haben, erzählten später, wie sich plötzlich auf politischer Ebene Türen öffneten, die vorher unmöglich erschienen. In der D. R. Kongo wurde das Seminar mit verfeindeten militanten Gruppen durchgeführt, die nun in Frieden zusammenleben. Die Bibel nennt einige Beispiele dazu, wie Abigail (1. Sam 25,14-35), Daniel, Esra und Nehemiah.

In den Riss treten ist nicht einfach und mit viel Schmerz verbunden. Es wird auch nicht sogleich zur Versöhnung zwischen ganzen Völkern führen. Und doch ist es ein Weg, wie wir als Christen das Unsrige zur Versöhnung beitragen können.

Es ist ein langsamer Prozess, aber wir sollten als Botschafter der Versöhnung und königliche Priester unser möglichstes tun. Wenn dies immer mehr geschieht, so werden wir auch Versöhnung in aussichtslosen Situationen erleben dürfen.

1Der Kurs heisst „Healing Hearts Transforming Nations“, weitere Infos auf: https://hhtnglobal.org

Autorin: Esther S.