«Die Botschaft von Jesus in persönlichen Begegnungen kulturell angepasst weiterzugeben ist hilfreich und immer möglich.»
Die christliche Gemeinde in der Türkei reagierte vorbildlich auf die Not, die im Südosten des Landes durch die Erdbeben am 6. Februar entstand. Schon drei Tage nach den ersten Beben waren Teams von Gläubigen in den Krisengebieten daran, Essen zu kochen und Hilfsgüter auszuteilen. Einige Christen wollten in einer bestimmten Stadt den betroffenen Menschen nicht nur materiell, sondern auch geistlich helfen und evangelisierten in irgendeiner Form. Das kam nicht gut an und hatte zur Folge, dass die Behörden alle materielle Hilfe, die von den kirchlichen Gemeinden kam, ablehnten.
Sogar die von der Bevölkerung so dringend benötigten Container als Schutz vor der Kälte wurden nicht angenommen. Das hatte zur Folge, dass der Bund der evangelischen Gemeinden ein eindringliches Schreiben verfasste und alle Helfer mahnte, mit Glauben teilen zurückhaltend, einfühlsam und weise zu sein.
Risikofreudig und Sicherheitsbedacht
Risikofreudig und Sicherheitsbedacht – Dieses Abwägen, wie «leise» oder «laut» man das Christsein in einem feindlichen Umfeld ausleben soll, prägt uns auch ausserhalb von Krisensituationen. Wir erleben auf der einen Seite, dass die orthodoxe Kirche es oft nicht gerne sieht, wenn evangelische Christen in ihrer Stadt wirken. Sie fürchten, dass zu lautes oder gar provokatives Auftreten die lokalen Gläubigen in Gefahr bringen und ihre fragile Situation in der Gesellschaft gefährden könnte.
Auf der anderen Seite merkten wir selbst, wie wir nervös wurden und mögliche negative Konsequenzen fürchteten, wenn feurige Neuankömmlinge oder durchziehende Kurzzeiter sich gemäss unserer Einschätzung, was die langfristigen Folgen betrifft, unweise verhielten.
Es braucht beide, die Risikofreudigen und die Sicherheitsbedachten, die Lauten und die Leisen. Den anderen Schätzen, aufeinander hören und voneinander lernen ist eine gute Basis, um einander positiv zu ergänzen. Es kann den Leisen guttun, von den Lauten etwas herausgefordert zu werden, und den Lauten schadet es manchmal nicht, von den Leisen etwas gebremst zu werden.
Weise und mutig
Es ist weise, die Meinung von lokalen Gläubigen zu suchen und ernst zu nehmen. Wobei es sich empfiehlt, mehrere Einschätzungen anzuhören, denn auch bei den lokalen Christen gibt es eine grosse Bandbreite von Ansichten.
Ein einheimischer Gemeindeleiter empfiehlt, vor allem im Umgang mit Behörden, selbstbewusst und überzeugt von Gottes Sache aufzutreten, denn das Gegenüber spürt, wenn der andere unsicher ist.
In einer dem Christentum kritisch gegenüberstehenden Gesellschaft müssen Offizielle (Regierung, Polizei, usw.) auf Beschwerden gegenüber Christen reagieren. Solange solche Beschwerden ausbleiben, drücken sie oft ein Auge zu und lassen sie mehr oder weniger ungehindert wirken. Hier gilt es, die vorhandene Bandbreite auszunutzen. Das beinhaltet für Ausländer eine meist lange Lernphase von Sprache und Kultur, die nicht immer einfach ist. Besonders unter Männern kommt eigentlich in jeder Konversation das Thema «Glauben» vor, auf das man aufbauen kann.
Möglich und undenkbar
Je nach Persönlichkeit schätzt man die Lage oder die Definition von «weise» verschieden ein. In ein und demselben Land gibt es Unterschiede zwischen konservativen und progressiven Orten, urbanen Zentren und dem ländlichen Hinterland. Was an einem Ort absolut möglich ist, ist an einem anderen undenkbar.
Vor ein paar Jahren wählte eine Gruppe Christen unter der Leitung eines Bekannten von uns in einer grossen Nachbarstadt den Platz vor einer Moschee aus, um nach dem Freitagsgebet zu evangelisieren und singen. Einige Christen im Lande lobten sie als mutig, viele andere, inklusive den Behörden, fanden das unweise und unangebracht. Möglich, dass die Landesverweisung unseres Bekannten mit dieser Begebenheit zu tun hat.
Paulus rät den lokalen Christen zur Balance, sie sollen weise und mutig sein: «Verhaltet euch weise gegenüber denen, die draussen sind, und kauft die Zeit aus. Eure Rede sei allezeit wohlklingend und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt.» (Kolosser 4:5-6)
Autoren: Regina und Markus