Leben, wo sie leben

Es ist 7:30 Uhr. Man spürt bereits die Hitze der Sonne. Die Vögel singen in den Papaya­bäumen in unserem kleinen Garten. Ich verlasse unsere Hütte und begebe mich in den Hof, wo ich Nee Khadjatou begrüsse, die schon daran ist, Kleider zu waschen und Nee Kumba, die Wasser schöpft.

Meine morgendliche Begrüssung gilt auch Naana, der Grossmutter der Familie, die mir von ihren Rückenschmerzen erzählt. Und ich komme vor die Hütte Maamas, des Grossvaters, welchem ich Gottes Frieden für diesen Tag wünsche. Er bereitet sich vor, um wie jeden Morgen am Strassenrand Brot zu verkaufen.

Diese morgendlichen Begrüssungen sind mehr als ein blosses Ritual. Durch sie erkenne ich, ob es allen in der Familie gut geht und ob nicht eine schlechte Nachricht den nächtlichen Schlaf gestört hat.

Nach dem Frühstück schnappe ich mir mein Fahrrad, radle aus Kounkané hinaus, überquere die Reisfelder und begebe mich ins Nachbardorf. Ein Freund war krank. Ich werde fragen, wie es ihm jetzt geht. Wir setzen uns zusammen in den Hof seines Hauses. Wir sprechen über seine Familie, die Ernten, die Schwierigkeiten des Lebens und die Hilfe Gottes. Ich habe einen Psalm mitgebracht, den wir soeben übersetzt haben, um ihn mit ihm zu lesen.

Während dieser Zeit unterrichtet Marie-Eve zu Hause unsere beiden jüngeren Kinder David und Tim. In Kounkané hat es mehrere öffentliche Schulen, die aber unter unaufhörlichen Streiks sowie Lehrermangel leiden. Die Schulklassen sind übervoll und das schulische Niveau ist sehr niedrig. Also lernten unsere Kinder während Jahren zu Hause.

Dieses Jahr haben Etienne und Luc, unsere beiden Älteren, zum ersten Mal den Wunsch geäussert, in eine richtige Schule zu gehen. Deshalb sind sie an der Missionsschule BCS in der Nähe von Dakar, neun Autostunden von uns entfernt. Sie fehlen uns sehr. Unser tägliches Leben ist ohne sie fader geworden. Aber wir preisen den Herrn, denn unsere Kinder sind glücklich und können viele Aktivitäten mitmachen, was im Busch unmöglich war. Bei uns in Kounkané beschränken sich die Freizeitaktivitäten aufs Fussballspiel!

Die BCS ist auch wertvoll wegen des geistlichen Rahmens, den sie unseren Kindern bietet. Hier in einem gänzlich muslimischen Dorf, ohne Kirche und ohne Jünger Jesu zu leben ist für Jugendliche,
die Jesus nachfolgen wollen, nicht leicht.

Kounkané ist der erste Ort, in welchem die WEC Mitarbeiter in Senegal seit dem Jahr 1936 gearbeitet haben. Trotz viel Arbeit, Gebet, Evangelisation und Opfer besteht zur jetzigen Zeit keine Gemeinschaft der Jünger Jesu in unserem Dorf. Eine einzige, sehr alte Frau bekennt sich zum Namen Jesu, unseres Herrn. Marie–Eve wird sie nach dem Mittagessen besuchen.

Das Mittagessen nimmt Marie-Eve mit den Frauen der Familie ein, mit der wir zusammenleben. Bei den Fulakunda können Männer und Frauen nicht gemeinsam aus der gleichen Schüssel essen. Marie-Eve liebt diesen belebten Moment während der Mahlzeit, in dem die Frauen diskutieren, lachen und einander Dorfgeschichten erzählen.

Ein Fulakunda Sprichwort sagt: «Wer isst, was du gegessen hast, weiss, was in dir ist». Eine unserer Motivationen, mit einer Fulakunda Familie zu leben, ist, dieses Volk, seine Kultur, seine Freuden, seine Leiden, seine Herausforderungen, seine Hoffnungen… zu kennen.

Bei unserer Ankunft in Kounkané im Mai 2011 haben wir uns als ‹Lernende› der Sprache und Kultur vorgestellt, was uns die Türen und Herzen der Menschen geöffnet hat. Also haben wir den Reichtum dieses Volkes entdeckt, ihre Grosszügigkeit, ihr von einem Tag zum andern Tag leben, ihre Würde, ihr Wunsch, Gott zu gefallen. Am Anfang brauchten wir ein wenig Zeit, um uns an ihren ganz anderen Lebensstil zu gewöhnen, woraus wir aber viel Freude empfangen können. Unseren Kindern fehlt es nie an einem Freund um zu spielen, da es etwa zwanzig Kinder in der Familie hat!

Wenn unsere Kinder im Bett sind, gehe ich in den Hof hinaus und sitze mit den Menschen der Familie und den vorübergehenden Besuchern zur nächtlichen Unterhaltung zusammen. Es ist
kühler, die Kinder schlafen, das Tageswerk ist vollendet … was uns ermöglicht, lange und tief auszutauschen über das Leben und über Gott.