«Was soll der Sohn in einer Kultur tun, in der das Wort der Eltern diskussionslos zu respektieren ist?»

Die Eltern verbieten ihrem Sohn, einem überzeugten Christen, seinen Tumor von einem Arzt operieren zu lassen. Stattdessen soll er sich von einem Medizinmann behandeln lassen. Wie kann er in dieser Situation seine Eltern achten?

Als Gott mit seinem Volk einen Bund schloss, hielt er eines der wichtigsten Gebote fest: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren (2. Mose 20,12)! Es ist der Weg zu einem gelingenden Zusammenleben der Generationen.

Dieses alttestamentliche Gebot bekräftigte Jesus auch im Neuen Testament. Menschliche Vorschriften stellte er in Frage und setzte stattdessen Gottes Gebot in Kraft (Markus 7,11). Sogar am Kreuz galt seine liebende Fürsorge seiner Mutter (Johannes 19,26-27).

Auch Paulus bestätigte in seinen Briefen mit Nachdruck das vierte Gebot (Epheser 6,2; Kolosser 3,20; 1.Timotheus 5,4). Der Herr möchte, dass die Kinder ihre Eltern ehren.

Diese Ehrerbietung kommt je nach Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft unterschiedlich zum Tragen. Jesus spricht aber von einem Gebot, das noch wichtiger ist:

Markus 12,29-30: Das wichtigste Gebot ist dieses: «Höre, Israel! Der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen Willen und mit deiner ganzen Kraft.»

Matthäus 10,37 «Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist es nicht wert, zu mir zu gehören.»

Lukas 14,26 «Wer zu mir kommt, dem muss alles andere unwichtig werden: sein Vater und seine Mutter, ebenso Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein eigenes Leben.»

Jesus forderte einen Mann auf, ihm nachzufolgen. Der wollte sich zuerst noch um das Begräbnis seines Vaters kümmern. Jesus liess es nicht zu (Lukas 9,59-60). Zu diesem Konflikt zwischen Gebot und Nachfolge merkt der Theologe Dietrich Bonhoeffer an: «Ein klares Gebot des Gesetzes steht hier zwischen dem Gerufenen und Jesus. Dem tritt der Ruf Jesu mächtig entgegen, jetzt unter keinen Umständen irgendetwas zwischen Jesus und den Gerufenen treten zu lassen, und sei es das Grösste und Heiligste, sei es das Gesetz.»

Ich würde den Sohn ermutigen, sein Vertrauen in erster Linie in Jesus Christus zu setzen. Es wird gestärkt, indem er Gebet für sich in Anspruch nimmt. Der Tumor muss sofort operiert werden. Der Herr kann die Operation gelingen lassen. Entgegen den Erwartungen der Eltern soll er sich nicht von einem Medizinmann behandeln lassen. Er folgt jetzt Jesus nach und nicht mehr alten Traditionen.

Trotzdem ist es wichtig, sich zu überlegen, wie er seinen Eltern in anderer Weise Liebe und Respekt zeigen kann. Will er ihnen mit einem Geschenk danke sagen für ihre Liebe, Fürsorge und Erziehung? Will er sie zu einem späteren Zeitpunkt besuchen gehen? Braucht es einen Telefonanruf des Pastors der Gemeinde, der ihnen das Evangelium erklärt? Ich denke, da muss er sich vom Heiligen Geist führen lassen. Die Reaktion seiner Eltern darf er dem Herrn anbefehlen.

Autor: Michael Haller